Das war der 8. Biedermeier-Sommer
Zum achten Mal seit 2005 kehrte Werben für zwei Tage ins Biedermeier (1815 bis 1848) zurück. Die Sommer-Veranstaltung lockte Hunderte auf das Areal vor St. Johannis.
Gemächlich bis quirlig pulsierte das Leben am Wochenende in Werben. Man flanierte über den Markt an der Johanniskirche – die holde Weiblichkeit in luftigen bunten Kleidern, Schuten beziehungsweise Kapotthüte auf dem Kopf, zierliche Schirme gegen allzu aufdringliche Sonnenstrahlen, die Herren im Gehrock, mit bunt gemusterter Weste und Zylinder, den Spazierstock als Begleiter.
Gastgeber war wie immer der Arbeitskreis Werbener Altstadt (AWA), der den vielen Besuchern nicht nur ein Erlebnis mit buntem Markttreiben, Veranstaltungen und Begegnungen bot, sondern auch ein Städtchen präsentieren konnte, in dem an vielen Beispielen sichtbar geworden ist, wofür der Reinerlös solcher Anlässe übrig bleibt und Spendengelder verwendet werden: für die Sanierung und Erhaltung der Altstadt, wie Bürgermeister Volkmar Haase und AWA-Vorsitzender Werner Eifrig bei der Eröffnung des diesjährigen Biedermeiersommers hervorhoben. Pfarrer Jan Foit bat um Extra-Spenden für die Opfer des jüngsten Hochwassers. Mit dem Aufziehen der Marktfahne hatte Marktvogt Curt Pomp – wieder in der Uniform eines Königlich-Hannoverschen Oberpostsekretärs – das Marktrecht verkündet.
In der Alten Schule hatten während des Biedermeiermarktes Kinder der zweiten und dritten Klassen der hiesigen Grundschule ihre Arbeiten aus einer Malwerkstatt mit dem Meseberger Heimatmaler Günter Lüder ausgestellt, ein Projekt, das der Kulturförderverein Östliche Altmark gemeinsam mit Schulleiterin Renate Schimmelpfennig ins Leben gerufen hatte. Für ihren Fleiß überreichte Vereinsgeschäftsführerin Brigitte Ruhbaum den beteiligten 20 Kindern Urkunden.
Ein weiteres Projekt mit Grundschülern hatte Irmgard Gellerich erarbeitet. Sie hatte Adelbert von Chamissos vor 200 Jahren erschienenes Buch „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ kindgerecht umgearbeitet und sehr stark gekürzt. Es ist auch Grundlage für ein Puppenspiel um den ruhelosen Peter, der seine Seele beinahe dem Teufel verschreibt, und die Schüler zeigten in der „Guten Stube“ der Alten Schule zu den Passagen ihrer Texte entsprechende Handpuppen.
Aus dem Mecklenburgischen hatte man eine vierspännige Postkutsche samt zwei Postillionen engagiert, mit der Fahrgäste durch Werben kutschiert wurden. Es fanden Kirchenführungen statt, man konnte das Elbtor besichtigen, sich an Süßem in der Eis-Chocolaterie „Kalif Storch“ gütlich tun, Ulrich Haases Ausstellung „Alte Ansichten und mehr entlang der Elbe“ in der Salzkirche ansehen und das Figurentheater Liselotte aus Berlin mit dem amüsanten Schattenspiel „Sankt Anton oder der Heiligenschein“ im Haus Eifrig besuchen. Am Sonntagnachmittag fand eine Schulstunde mit Wilhelm Buschs „Lehrer Lämpel“ auf dem Kirchplatz statt, dargeboten von Kindern der Werbener Grundschule. Für die kleinen Marktbesucher hielt der Werbener Förderverein allerlei Spiele parat, außerdem bot Margret Mucheyer vom Gehrhof bei Seehausen Reitrunden an.
Rund 30 Händler, Handwerker und Künstler hatten sich auf dem Markt niedergelassen. Neben antiquarischen Büchern aus der Biedermeierzeit bot Frank Gellerich die neueste Ausgabe des „Biedermeier-Marktboten“ mit Informationen rund um das Fest an.
Die Kunstschmiede Joachim Hanisch aus Olvenstedt und Lars Dittmer aus Barum hämmerten, was das Zeug hielt, nicht ganz so lautstark arbeitete Kupferschmied Daniel Amlow aus Parchim. Tischler Uwe-Michael Rexin aus Biederitz hatte vorgefertigte Schemel mitgebracht und fügte sie an seinem Stand zusammen. Das fünfte oder sechste Mal sei er hier, erzählte er, und zeigte altes Werkzeug.
Getöpfertes, Geschnitztes, Gestricktes und Gesponnenes, Spielzeug und vieles andere war zu besehen und zu kaufen. Vom Stand der Bäckerei Obara aus Berge duftete es nach frischem Brot, Jonny Buck aus Wanzer verkaufte ein Schwein am Spieß portionsweise, und Schlange stehen musste man zeitweise, um Würstchen vom Biolandhof Dihlmann zu ergattern.
Es gab Eintopf, Buchteln und vom AWA Kartoffelpuffer; niemand brauchte zu darben. Dazu schmeckten entweder ein AWA-Johannis-Bier oder ein Fruchtwein von Helmut Sasse aus Rohrbeck. Mehrere hundert Besucher, die sich in Werben quasi „die Klinke in die Hand gaben“, frequentierten das Biedermeierfest, und die Macher um Werner Eifrig, die vielen Helfer, die es vorbereitet hatten, waren zufrieden. Na, tschüss dann bis zur Biedermeierweihnacht!
Text aus Volksstimme vom 09.07.2013 von Frank Schmarsow
Fotos: Jürgen Sturtzel, Christian Fiege, Anita Bous, Dietrich Bahß
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