Stadtgestalt im Biedermeier

Für manchen Stadtforscher bedeutet das frühe 19. Jahrhundert das Ende der langsamen und kontinuierlichen Stadtentwicklung. Die Städte haben sich immer entwickelt, doch in langen, für den Einzelnen kaum wahrnehmbaren Zeitabschnitten. In guten Zeiten wuchsen neue Stadtteile, wurden ummauert und in schlechten Zeiten bewegte sich wenig. Zu allen Zeiten jedoch legten die Bürger Wert auf ein eindrucksvolles Stadtbild.

Mit dem Heraufziehen der neuen Zeit, die vor allem durch die Erfindung der Dampfmaschine forciert wurde, war das Zeitalter der schnellen Entwicklungen eingeläutet. Noch standen die türmereichen, mauerumgürteten Städte wie Kostbarkeiten eingefasst in der lachenden Garten- und Bauernlandschaft. Doch Türme, Mauern und Tore hatten ihre Verteidigungsfunktionen längst verloren. Sie waren nur noch schön und romantisch. Die Postkutsche rasselte noch durch die nun immer offen stehenden Stadttore. Es war wie ein letzter Höhepunkt einer vergangenen Zeit. Diese Zeit bezeichnen wir heute als das Biedermeier.

In den Brennpunkten des Handels, z.B. den großen Hafenstädten, war die neue Zeit schon eingekehrt. Bahnhöfe, Gleisanlagen, Fabriken veränderten in kurzer Zeit das Gesicht der alten Städte. Die stolzen Stadttürme und -tore verschwanden und stattdessen reckten sich überall Fabrikschornsteine in die Höhe. Selbst ein so bedeutendes Bauwerk wie das Lübecker Holstentor wäre um ein Haar einer Gleisanlage geopfert worden. Niemand kümmerte sich mehr um Stadtgestalt, um die Ausgewogenheit der Stadtsilhouette.

Die Eisenbahn brachte die Entwicklung auch in abgelegene Gebiete. Die Stadt Werben jedoch wurde weder an eine durchgehende Bahnlinie noch ein bedeutendes Straßennetz angeschlossen. Das hat wohl dazu geführt, dass die Stadt großen Veränderungen nicht unterworfen wurde.

http://www.werben-elbe.de/wp-content/uploads/2011/09/bm-stadtgestalt.jpg

„Moritzburg und Domkirche in Halle, Stahlstich von Joh. Poppel aus: „Romantische Reise durch das alte Deutschland“, Verlag Rolf Müller Hamburg 1969